Hans Hass Archiv


Meeresforschung

Hans Hass war einer der bemerkenswertesten zeitgenössischen Forscherpersönlichkeiten Europas - ein herausragender Pionier auf vielen Ebenen

 

Vielen ist Hans Hass bekannt als „König der Haie“, als einer der ersten Abenteurer, die sich in die unbekannten Tiefen des Meeres wagten. Wer sich aber mit ihm und seinem Werk eingehender beschäftigt, erkennt, dass dies nur eine Facette seines Lebens war, das in seiner Biographie treffend mit „Ein Leben lang auf Expedition“ betitelt wurde. Sein ganzes Leben und auch  noch im hohen Alter von 94 Jahren, drang er in immer neue, unbekannte „Welten“ ein und überschritt immer neue Grenzen. Dabei waren die „Ziele der Expeditionen“ anfangs das unbekannte Meer, der größte Lebensraum der Erde, danach die „Reise zu uns selbst“, die Erforschung des Menschen, und schließlich die Ergründung von grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten des Lebens. Hierbei versuchte er schließlich, die Grenzen verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen zu überschreiten und die verschiedenen Fachbereiche zu integrieren. Er revolutionierte die gesamte Unterwasserforschung, eröffnete der Menschheit die Möglichkeit des direkten Unterwassererlebnisses, wurde ein Mitbegründer der Humanethologie, brachte neue Ansätze in die Systemforschung und Wirtschaftstheorie und entwickelte eine erweiterte Evolutionstheorie und ein neues Weltbild, mit dem er seiner Zeit weit vorauseilt.

 


Vom Unterwasserjäger zum Meeresforscher

 

Als frischgebackener Maturant auf seiner ersten selbständigen Reise kommt Hass 1937 an der südfranzösischen Küste zufällig mit der Unterwasserjagd in Berührung und begeistert sich dafür. Mit einer langen, speerartigen Harpune und kleinen Schwimmbrillen geht er auf die Jagd nach Fischen. Es packt ihn dabei aber nicht nur die Jagdlust und das Abenteuer, sehr rasch interessiert er sich darüber hinaus für die wundersame, unbekannte Welt unter Wasser, für die Zusammenhänge und für das Verhalten der Tiere. Damit war der unmittelbare Anfang gesetzt für das „Leben auf Expedition“. Was ihn interessiert, verfolgt er mit einer bewundernswerten Zielstrebigkeit und Ausdauer. Er kommt damit an seine Ziele, weitgehend Autodidakt und auch autark. Seine Unternehmen finanziert er sich selbst. Bereits die frühe Unterwasserjagd finanzierte er sich mit dem Verkauf der erbeuteten Fische. Seine späteren Forschungsreisen, die umfangreiche Ausrüstung einschließlich der Forschungsschiffe, die Forschungen „an Land“ und seinen Lebensunterhalt - alles finanziert er sich selbst - mit Fotos, Presseberichten, Stories in Magazinen, mit zahlreichen Büchern, unzähligen Vorträgen, sowie Kino- und Fernsehfilmen - weitestgehend ohne öffentliche Forschungsgelder und staatliche Zuschüsse.

 


Pionier der Meeresforschung

 

Zurückgekehrt von seinen ersten Unterwasserjagden, will er seine Umgebung für die faszinierende Welt unter Wasser begeistern, merkt aber, dass er dazu Fotos und Filme vorlegen muss. Dazu konstruiert er schließlich selbst Gehäuse für Unterwasserkameras für Foto und Film, die bedeutend handlicher und zuverlässiger waren, als die wenigen bis dahin bekannten, unförmigen und äußerst umständlich zu handhabenden Geräte. Damit unternahm er nun - trotz der Wirren der Zeit und unter teilweise widrigsten Umständen - vor, während und nach dem Krieg zahlreiche Unterwasserexpeditionen in die Meere rund um den Erdball. Neu war dabei nicht nur seine Kamera-Ausrüstung, neu war vor allem seine gesamte Methode des Tauchens. Bisher waren länger andauernde Abstiege in die Meerestiefen nur mit Taucherhelm und Bleischuhen üblich, am Meeresgrund gehend und durch einen Luftschlauch mit Pumpe mit der Oberfläche in Verbindung. Hass entwickelte eine neue Methode, mit der er sich schwimmtauchend im Wasser bewegte. Dazu modifizierte er die Taucherflossen und, was besonders entscheidend war, er entwickelte gemeinsam mit dem Drägerwerk im Lübeck das erste Schwimmtauchgerät der Welt, ein Sauerstoff-Kreislaufgerät.

Mit dieser Ausrüstung konnte er sich nun autonom, also unabhängig von der Oberfläche, gleich den Fischen über längere Zeit im dreidimensionalen Unterwasserraum bewegen. So ausgestattet, erforschte Hans Hass nun die verschiedensten Meere, brachte erstmals unzählige fotografische und filmische Dokumente über die große unbekannte Welt unter Wasser an Land und wurde so aus enormem wissenschaftlichem Antrieb heraus zu einem der ersten wirklichen „Raumforscher“ des Meeres, zu einem großen Pionier der Erforschung der Hydrosphäre. Durch seine Methoden, Ergebnisse und Sichtweisen prägte er die gesamte nachfolgende Meeresforschung.

 

 

Meilensteine der Unterwasserforschung

 

Nachdem er, bewaffnet mit seiner Unterwasserkamera, bereits erfolgreiche Tauchgänge im Mittelmeer durchgeführt hatte, startete Hans Hass 1939 als 20-jähriger seine erste Karibik-Expedition. Wegen des Kriegsbeginns und der damit verhinderten Rückkehr über den Atlantik wurde aus der geplanten 3-Monate Expedition ein eineinhalb Jahre dauerndes Unternehmen rund um die Erde, quer durch die USA und über Japan, Korea, Peking und mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück nach Deutschland und Österreich. Daraus entstanden die ersten Bücher und zahlreiche namhafte Veröffentlichungen, unter anderem im amerikanischen „Life Magazin“. Unter schwierigsten Umständen folgte noch in den Kriegsjahren eine Film-Produktion: „Menschen unter Haien“. 1944 promovierte Hass „summa cum laude“ an der Universität Berlin zum Dr.rer.nat. der Zoologie mit einer Arbeit über Moostierchen, einer Tiergruppe, die ähnlich den Korallen stockartige Kolonien aufbaut.

Nach dem Krieg folgen 1949 und 1950 zwei Expeditionen ins Rote Meer. Der daraus entstandene Film „Abenteuer im Roten Meer“ gewinnt 1951 den ersten Preis für Österreich bei der Biennale in Venedig! Noch im selben Jahr gründet Hans Hass in Vaduz das Internationale Institut für submarine Forschung und kauft sein größtes Forschungsschiff, die XARIFA. Nachdem er noch mit seiner Frau Lotte eine Expedition ins australische Barrierriff unternommen hatte und die XARIFA inzwischen umgebaut und ausgestattet war, startet die erste Expedition mit diesem privaten Forschungsschiff 1953/1954 in die Karibik und in den Pazifischen Ozean. Um dieses „Unternehmen XARIFA“ zu finanzieren, dreht er über diese Fahrt den gleichlautenden Spielfilm, der ihm weltweit große Anerkennung einbringt. Ein internationales Team von namhaften Wissenschaftlern begleitet ihn, unter ihnen Irenäus Eibl-Eibesfeldt. 1957/1958 folgt eine weitere XARIFA-Expedition in den indischen Ozean. Die filmische, fotographische und wissenschaftliche Ausbeute all dieser Meeresexpeditionen war ein Meilenstein in der Erforschung des „siebten Kontinents“.